Eine Hochzeit im Sietland kann etwas ganz Besonderes sein. Brauchtum gibt es zur Genüge! Über Kurioses, Besonderes und Schönes, über Hochzeitsbräuche und über ein ganz besonderes Hochzeitsgefährt möchte ich heute berichten.
Hochzeit im Sietland – nicht ohne Humor
Es ist vollbracht. Mein kleiner Bruder ist unter der Haube und hat den „Freifahrtschein für die Steuerklasse III“, mit der er eines der nach der Trauung ausgehändigten Schriftstücke noch im Trauzimmer bezeichnete. So weit ich informiert bin, sollte sein erster Gang dieser Woche auch direkt zum Finanzamt führen – ob er es tatsächlich heute erledigt hat, entzieht sich meiner Kenntnis 🙂
Auf alle Fälle war der letzte Samstag ein ereignisreicher Tag für uns alle. Es gab eine Menge zu bestaunen, eine fast volle Bandbreite verschiedener Wetterlagen (es fehlte nur der Schnee) und ein Brautpaar, das alles nicht so ernst nahm und aus fast jeder Situation einen Witz machte. Tja, für eine Hochzeit im Sietland benötigt man halt einen riesigen Topf Humor, wenn Freunde, Nachbarn und Verwandte verschiedene Bräuche zelebrieren 😉 Von den Scherzen am Polterabend hatte ich ja bereits berichtet. Unterschlagen habe ich dabei aber ein Bild der Schuhe, die der Braut abgenommen und an einen Pfeiler vorm Haus genagelt wurden (blaue Turnschuhe rechts im Bild).
Weiter geht es daher mit den kleinen „Gemeinheiten“ bzw. Besonderheiten, unter denen das Eheglück am ersten Tag bestehen musste.
Wie ein Brautauto geschmückt wird
Das Auto: Mühevoll poliert, mit Blumenschmuck und Fahnen (Just Married) dekoriert => sozusagen ein „Vorführwagen“ (und der Stolz meines Bruders), soweit also alles ok. Dies änderte sich jedoch schlagartig während der Trauung. Die Freunde meines Bruders waren nämlich mit der Demo nicht so ganz einverstanden und „verschönerten“ es mit Babycreme, Wattebäuschen, Lippenstift und großen Dosen und trafen damit absolut nicht den Geschmack meines Bruders.
Da die Sonne morgens kräftig vom Himmel schien und dem Brautpaar die herrlichsten Sonnenstrahlen schickte, hatte der Bräutigam doch schlichtweg Angst um den Lack seines Fahrtzeuges und verlor kurzzeitig seine spaßige Art, mit der er während der Trauung viele Aspekte leicht flapsig kommentierte. Man kann sogar behaupten, dass ihm für einen kurzen Moment die Gesichtszüge etwas entglitten 🙂
Ein Trecker als Brautfahrzeug
Nach diversen Sektgläsern, die an zahlreiche Schaulustige verteilt wurden, sollte die Fahrt mit dem „Brautmobil“ starten. Lange dauerte sie aber nicht, denn bereits nach etwa 50 Metern spannten Kinder bereits das erste Band. Nach alter Sitte erwarteten die Kinder Bonbons, damit sich das Paar den Weg „freikaufen“ kann. Nachdem diese Hürde genommen wurde, stoppten die Freunde meines Bruders das „Brautmobil“, nötigten das Paar zum Aussteigen und lockten es um die Ecke der Straße. Dort wartete bereits das „echte“ Hochzeitsgefährt: ein riesiger Trecker, der
mit einer Vorrichtung samt Sofa, Tannengrün und Luftballons geschmückt wurde. Es erinnerte an diverse Szenen aus „Bauer sucht Frau“, in denen der Bauer seine Liebste vom Bahnhof abholte und dafür den besten Traktor herrichtete.
Ohne Trecker ist es keine richtige Hochzeit im Sietland
Somit hatten sich die zwei einen echten Platz an der Sonne mit einer Kutsche, wie es sie sicherlich kein zweites Mal geben wird, gesichert 🙂
Mit einem langen Konvoi und lautem Gehupe zogen sie also durchs Dorf, bis sie nach einer Ewigkeit und einem kurzen Zwischenstopp mit erneutem Sektausschank an ihrem Haus ankamen. Dort gab es traditionellen Butterkuchen, Kaffee und Schnaps. Nach dem ersten „Sackenlassen“ sorgte sich mein Bruder jedoch wieder um sein Auto und rief zum gemeinsamen Putzen auf. Er selbst setzte sich jedoch auf einen Logenplatz und schaute der kleinen Gesellschaft dabei zu. Nach dieser Aktion verfinsterte sich der Himmel und dunkle Wolken schoben sich dicht an dicht. Nach einer Weile schüttete es, so dass sich rasch zahlreiche Pfützen bildeten. Damit wurde das Auto schlussendlich begossen und keine Spuren erinnerten an den vormittäglichen Schabernack.
Hochzeitsbräuche im Sietland
Die abendliche Feier selbst bot auch noch das eine oder andere traditionelle Highlight, das nicht nur das Brautpaar ins Schwitzen brachte. Auch ich als ältere und unverheiratete Schwester bekam mein „Fett weg“. Zu etwas späterer Stunde wurde ich gemeinsam mit meinem Bruder aufgerufen. Ich musste mich sodann auf den Bühnenrand setzen und durfte mich für einen kleinen Augenblick mit Cinderella vergleichen. Mein Bruder hob mein Kleid etwas an, so dass er an meinen Schuh kam. Den zog er aus und stülpte mir lächerliche grob gestrickte Socken über. Zu guter Letzt verzierte er sie mit großen Bommelglocken, grinste mich schamlos an, gab mir einen kleinen Kuss und während der DJ die knapp 200 Gäste darum bat, sich im Kreis um die Tanzfläche zu versammeln, holte mein Bruder einen seiner Freunde, drückte mir dessen Hand in die meinige und sagte lauthals „viel Spaß bei deinem Ehrentanz“. Ehe ich erwidern konnte, startete die Musik und ich wurde bei klatschender Menge schwungvoll über das Parkett gewirbelt. Der so genannte „Sockentanz“ ist eine rutschige Angelegenheit, bei der eigentlich noch Schnaps über die Füße gegossen wird, damit die Füße noch mehr rutschen. Aber immerhin ist mir dieser Teil dann doch noch erspart worden – wie nett! Ich erinnere mich noch an viele grinsende Gesichter und bin schon jetzt sehr gespannt auf das Video…
Der voranschreitende Abend brachte noch einen kleinen Kampf um den Brautstrauß, einen Brauttanz in einer Burka, einen traditionellen Schleiertanz und zum Schluss den Tanz im Kerzenkranz, zu dem der acht Meter lange Türkranz abgenommen, zu einem Herz geformt und mit Kerzen versehen wurde. Auf andere Gemeinheiten oder Traditionen (Hochzeitstorte, Strumpfband, Brautentführung oder Hochzeitsschuhversteigerung) wurde verzichtet.